Die Kriterien für die Stromerzeugung aus Gas sind sehr restriktiv. Unter anderem wird verlangt, dass in den Kraftwerken schon ab 2026 hohe Anteile CO2-arme oder erneuerbare Energien verfeuert werden. Zudem muss ein neues Kraftwerk stets eine ?ltere, ineffizientere Anlage ersetzen. Beim Neubau oder der Laufzeitverl?ngerung von Kernkraftwerken wird vornehmlich gefordert, Vorkehrungen für den Betrieb einer Endlagerst?tte für hochradioaktive Abf?lle ab dem Jahr 2050 zu treffen.
Deutschland wird aufgrund des Ausstiegs aus Kernenergie und Kohle für l?ngere Zeit auf die Verstromung von Erdgas angewiesen bleiben – zus?tzlich zu einem stark beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Es ist deshalb grunds?tzlich positiv, dass die Kommission im Rahmen der Taxonomie Erdgas als Brückentechnologie anerkennt. Zu bezweifeln ist jedoch, dass die vorgeschlagenen Kriterien tats?chlich eine effiziente Umsetzung der Energiewende in Deutschland erm?glichen. Fraglich ist aus Sicht des DIHK insbesondere, ob die geforderten hohen Anteile erneuerbarer oder CO2-armer Gase in den vorgesehenen Fristen tats?chlich einzuhalten sind. So wird Wasserstoff als klimafreundlicher Energietr?ger und Ausgangsstoff bis 2030 vor allem in der energieintensiven Industrie und im Schwerlastverkehr zum Einsatz kommen.?Auch die Regel, dass nur Ersatzinvestitionen als nachhaltig gelten k?nnen, geht an den Notwendigkeiten der Energiewende vorbei. Konkret würde dies bedeutet, dass nur die Investition eines Energieversorgers in ein hocheffizientes Gaskraftwerk als nachhaltig eingestuft werden kann, wenn dieser zugleich über ein ?lteres, ineffizientes Kraftwerk verfügt, das im Gegenzug stillgelegt wird.
Die Einstufung der Kernkraft als nachhaltige Stromerzeugungstechnologie hat für die deutsche Wirtschaft ebenfalls relevante Auswirkungen. Unter anderem würde mit Kernkraft erzeugter Wasserstoff als nachhaltig im Sinne des Klimaschutzes klassifiziert. Für Industrieunternehmen in L?ndern mit entsprechendem Strommix k?nnten sich hieraus bei der Dekarbonisierung Wettbewerbsvorteile ergeben. Zudem beeinflussen die Regeln die Wettbewerbssituation deutscher Energieversorger.
Die Taxonomie mit ihren Nachhaltigkeitsbewertungskriterien für zahlreiche wirtschaftliche T?tigkeiten soll vornehmlich als Richtschnur für die Finanzm?rkte gelten. In der Praxis wird sie jedoch?weitreichende Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben, aufwendige Berichterstattungspflichten mit sich bringen und perspektivisch gar die Finanzierungsbedingungen beziehungsweise den Zugang zu Finanzierungen für Unternehmen beeinflussen. Die für die Energiewirtschaft geltenden Regeln und Nachhaltigkeitskriterien werden einen starken Einfluss auf die Energiewende haben.
Die Europ?ische Kommission hat den Vorschlag zur Konsultation an die 27 Mitgliedstaaten und eine Expertengruppe versandt. Letztere k?nnen bis zum 12. Januar formell Rückmeldung geben. Bis Ende Januar soll der Rechtsakt final von der Kommission verabschiedet werden.
Die europ?ischen Gesetzgeber, Rat der EU und Europ?isches Parlament, k?nnen das Inkrafttreten durch Mehrheitsentscheidung blockieren. W?hrend im Rat eine verst?rkte qualifizierte Mehrheit die Ablehnung beschlie?en müsste, genügt im Europ?ischen Parlament eine einfache Mehrheit. Trotz vereinzelt aufkommender Kritik, insbesondere an der Einstufung der Kernkraft, zeichnen sich entsprechende Mehrheiten für eine Ablehnung bislang nicht ab.